Zu Frage 1: Ja, wenn bestimmte Werte wegen einer Erkrankung oder einer medikamentösen Therapie regelmäßig kontrolliert werden sollen/müssen (und das sind leider schon viele Menschen und noch mehr Therapien! Damit auch gleich eine teilweise Antwort auf Frage 2).
Ja, wenn man eine Vorsorgeuntersuchung (VU) machen möchte. Allerdings unterscheidet die wissenschaftliche Ansicht sich sehr weit von dem, was sich der Patient dabei erwartet. Bei der VU sind lediglich fünf Blutwerte routinemäßig vorgesehen (Blutzucker, Cholesterin, Hdl-Cholesterin, Triglyzeride, ein Leberwert (GGT) und nur bei Frauen ein Test auf Blutarmut. Also erheblich weniger, als sich der landläufige Patient von einem „Blutcheck“ erwartet. Deswegen wird ärztlicherseits meistens mehr an Werten bestimmt (leider oft auch unnötig viele).
Ja, wenn der Verdacht auf eine Störung oder Krankheit vorliegt. Das kann ein Eisenmangel oder eine Schilddrüsenerkrankung bei Müdigkeit, der Nachweis oder Ausschluss einer Infektionskrankheit, eine Abklärung eines ungewollten Gewichtsverlustes oder ähnliches sein. Eine Blutabnahme aus der Sicht des Kostenträgers ist eine Hilfe zur Diagnosefindung – kein „Gesundheitscheck“ – und sollte immer von entsprechenden Maßnahmen zur Behandlung gefolgt sein (NICHT: Ich weiß eh, mein Cholesterin wird wieder zu hoch sein, aber mir schmeckt das Essen halt am Abend am besten.).
Nein, wenn auch nach wiederholten Kontrollen keine wirksame Gegenmaßnahme zur Behebung der erhöhten/krankhaft veränderten/ erniedrigten Werte vom Patienten (oder manchmal auch Arzt) gesetzt wird. Zum Beispiel wenn die Schilddrüsenhormone, die Eisenpräparate, die Cholesterinsenker nicht eingenommen, die Trinkmenge zur Verbesserung der Nierenwerte nicht erhöht wurde oder sonst irgendeine ärztlich empfohlene Maßnahme nicht durchgeführt wurde.
Nein, wenn man sich davon die Sicherheit erwartet, an keiner (bösartigen) Erkrankung zu leiden. Diese kann kein wie auch immer gearteter Bluttest bieten! Auch die vor Jahrzehnten dafür gefunden Tumormarker nicht (wird aber leider immer wieder noch gemacht). Verlaufskontrollen bei/nach Krebserkrankungen haben aber sehr wohl Sinn.
Nein, wenn der Bluttest nur aus Routine in gewissen Zeitabständen geplant wird (Na, so einmal im Jahr lass ich mir halt das Blut anschauen). Vor allem dann nicht, wenn man anschließend nicht oder sehr verspätet zur Befundbesprechung kommt!
Zu Frage 2: Da gibt es außer einiger oben schon genannter Ursachen auch Gründe, die für Arzt und Patient aufwendig, unnötig, unwirtschaftlich und ärgerlich sind. Am häufigsten sind es die Nierenwertbestimmungen für MRT und CT-Untersuchungen. Wenn das Röntgeninstitut einen Wert braucht, dann sollte es diesen Wert halt gefälligst selber bestimmen!! Auch wenn es (minimal) den Gewinn reduziert! Das hätte zur Folge, dass der Patient nicht dreimal zum Arzt muss: anmelden, Blutabnahme, Befund abholen. Und ich als Arzt hätte für Sie einen Termin früher frei.
Noch (denn auch die Verrechnung von Bluttests durch den Arzt wird schon bald nicht mehr möglich sein) wäre es kein Problem, auch jeden Tag Blutabnahmen durchzuführen – nur, diese Befund gehören ja auch besprochen (zumindest ich mache das ausführlich)! Und eine Vorsorgeuntersuchung dauert bei mir eine volle Stunde, da bringe ich gerade mal maximal vier pro Woche unter (außerhalb der Ordinationszeit, wie es im Vertrag steht!)! Und nicht nur Röntgeninstitute putzen sich am letzten Glied im Gesundheitssystem ab, wenn sie Bluttests nicht selber durchführen wollen, auch Universitätskliniken und Fachärzte tun das fortwährend! Und das muss dann alles untergebracht werden, denn wir Hausärzte können nicht mehr weiterdelegieren, denn hinter uns ist keiner mehr!
Tja, ich hoffe, dass ich mit diesem Artikel ein wenig begründen konnte, warum es manchmal erst so spät einen Termin zum Bluttest gibt. Ebenso hoffe ich auf ein wenig Verständnis dafür.
PS: Im Übrigen steche ich gerne und auch gut, also daran würd‘s nicht scheitern! Könnte den ganzen Tag Blut abnehmen.
Dr. Wolfgang Maurer