„Dr. Google“ – und warum das kein Arztersatz sein kann…

Na endlich! Kein Rumhocken mehr in Wartezimmern! Ich gebe meine Krankheitsanzeichen in den Computer ein und ratzfatz bekomme ich (m)eine Diagnose, ein Rezept womöglich noch und die Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigung rattert auch schon aus dem Drucker. Und das in Minutenschnelle! Und ich hab mich nicht mal bewegen müssen! Ach ja, und mit einigem Glück werde ich auch wieder gesund.

Zugegeben: in der heurigen Grippewelle hatte ich auch schon daran gedacht, dass es sicher mühsam ist, wenn man eh schon weiß, was man hat, etwa 2 Stunden im Wartezimmer zu sitzen! ABER dann sind da doch die zwei oder drei von zehn Patienten, denen der Computerdoktor bei den Krankheitsanzeichen Fieber, Kopfweh, Muskelschmerz und Schweißausbrüche eine Grippe diagnostiziert hätte. Der eine hatte aber eine Lungenentzündung (Dr. Google kann – noch? – nicht abhorchen), die andere eine Stirnhöhleneiterung (Dr. Google drückt auf keine Nervenaustrittspunkte) und die dritte eine Nierenbeckenentzündung bei übergangenem Harnwegsinfekt (Dr. Google klopft nicht auf die Nieren). Allerdings horchen, drücken und klopfen manche Kolleginnen/en – aus welchen Gründen auch immer – auch nicht (mehr). Also ich muss diese kleinen zeitaufwändigen Untersuchungen trotz jahrzehntelanger Erfahrung noch immer machen, ich hab‘s einfach noch nicht so drauf ohne sie.

Eine Diagnosefindung in der Allgemeinmedizin setzt sich (noch) zusammen aus dem Zuhören mit gezielter (Zwischen)Fragestellung, der Untersuchung, der Erfahrung und eventueller Laboruntersuchungen. Und wenn so im erfahrenen Allgemeinmedizinergehirn alles im Wesentlichen zusammenpasst und die Intuition (kommt von lat genau hinsehen und auch hinfühlen) keine Warnlampen aufleuchten lässt, dann ist es dann wirklich meine Diagnose und nicht (irgend) eine! Deswegen das eingeklammerte „m“ im dritten Satz des Artikels! — Dann ist die Wahrscheinlichkeit des Gesundwerdens auch sehr viel größer und nicht nur ein Glückstreffer! Vor allem dann, wenn die/der Arzt/in vielleicht auch noch erklärt, warum dieses oder jenes Medikament zu nehmen ist. Sie/Er verhindert damit, dass die Farbe, der Geruch oder der Geschmack des Medikaments die Auswahl des Patienten beeinflusst. „Internetbehandelt“ passiert vermutlich Folgendes:

Der technisch orientierte moderne aber leider fehldiagnostizierte Patient muss in das medizinische Kompetenzzentrum Universitätsklinikum (UK) und verbringt dort 2 bis 3×2 Stunden. Ätsch! Und ganz zu schweigen davon, was uns (die Allgemeinheit) alle diese Untersuchungen dort kosten! Denn dort geht es nicht (mehr) darum, dass es dem Patienten nachher besser geht, sondern dass eh alle Untersuchungen gemacht worden sind, dass das UK nicht verklagt werden kann. Er wird zu etwa zwei Fachärzten zur weiteren Untersuchung verwiesen (Ätsch! 2xWartezimmer!) und zur „Krankschreibung“ an die/den Allgemeinmediziner/in.

Also: Vermutlich ist „Dr. Google“ oder ähnliche Internetsuchmaschinen doch nicht die Lösung. Lassen Sie lieber die Finger von der Tastatur – dann braucht auch Ihr/e Arzt/in nicht so viel Zeit, Ihnen die Befürchtungen zu zerstreuen, die Ihnen die Internetrecherche in die Gehirnwindungen gebrannt hat!

Nehmen Sie lieber ein Buch zum Lesen mit zu Ihrer/m Arzt/in (bei mir gibt’s sogar welche, die man dann zu Hause fertig lesen kann), eventuell was zu trinken (solange, dass man schon was zu essen mitnehmen muss, dauert‘s sogar bei mir nicht) und investieren Sie ein bisschen Wartezeit. Sie bekommen dann Ihre Diagnose und nicht irgendeine!